Drei sind einer zu viel? Einhorn-Erlebnisse.
Alternative Beziehungskonzepte und studierte Verhaltensweisen zum Umgang mit Eifersucht sind in der Theorie eine schöne Sache, aber in der Praxis oftmals schwer umsetzbar und selten so einfach und klar definiert. Schöne Illusion – in der Theorie
Wer viel analysiert, findet am Ende auch mehr Konfliktpotenzial.
Lange Zeit dachte ich, dass unsere sexuellen Spielgefährt*innen während der offenen Beziehung keine emotionalen Ansprüche oder Erwartungen an mich und meinen Partner zu stellen haben. Schließlich haben wir eine Einheit gebildet und uns nur manchmal mit anderen getroffen. Einmalig oder mehrmals, ONS oder Affäre.
Alle wussten von Vorneherein und auch im Verlauf über alles Bescheid. Jede/r hatte sich freiwillig dazu entschlossen an unserer Verbindung kurzzeitig teilzunehmen. Auch wenn wir die Affären des anderen nur in den seltensten Fällen kennenlernten, so wussten wir doch, wann sie im Leben des/r anderen präsent waren.
Gedanken rationalisieren, verhindert Befreiung.
Jetzt nachdem ich seit über einem Jahr solo und allein in Berlin unterwegs bin, fand ich mich öfters in der Rolle der Dritten, der Affäre, wieder. Auf einmal hatte ich keine Erwartungen geltend zu machen oder Ansprüche zu stellen. Ich tauch(t)e lediglich im Leben des Paares auf, habe Spaß mit ihnen oder treffe eine/n von beiden allein. Das Einhorn, wie mensch diese Rolle mittlerweile so schön nennt.
Zumindest hat mich da eine schöne Künstlerin bei unserem ersten Treffen drauf hingewiesen. Dating Apps und Liebesforen spielen mit dem Begriff schon seit Langem. Vorzugsweise Pärchen suchen hier oftmals nach einem „Unicorn“, einem bisexuellen Wesen, das lediglich dazu dient, eine Dreier-Fantasie zu bedienen. Fühlt sich ja auch schließlich zu beiden Geschlechtern hingezogen, doppelte sexuelle Lust, geil!
Als ich aufhörte zu denken und zu fühlen begann
Ich wusste schon immer, warum ich die Viecher eigentlich nicht wirklich witzig finde, oder leiden kann, auch wenn sie im Partykontext und auf sämtlichen Flyern immer wieder auftauch(t)en und sich allgemein großer Beliebtheit erfreuen. Innere Abneigung gerechtfertigter Weise.
Fortan überkamen mich immer öfters krasse Gefühle… der Leere und Einsamkeit. Immer nur die Spielgefährtin zu sein ist auch nicht wirklich nachhaltig bereichernd. Zudem ist es auch immer wieder recht intensiv, wenn man am Ende des Tages dann doch merkt, dass man für jemanden oder für eine romantische Verbindung, die nicht die eigene ist, nur kurzzeitig eine Bereicherung war. Die Einzige in der Konstellation, die ersetzbar gewesen wäre. Danach kann mensch streben oder sich davor fürchten.
Natürlich ist eine rein sexuelle Affäre über den Sex hinaus auch nicht an emotionale Kommittent gebunden und auch hier kommt mindestens einer von beiden, oder beide, wenn keiner vergeben ist, auf ihre gefühlstechnischen Kosten, was Geborgenheit und Liebe betrifft. Auch wenn ich mich selbst immer als Typ Frau bezeichnet habe, der Sex und Gefühle klar trennt, so erwische ich mich doch dabei, dass ich beispielsweise in Affären mit vergebenen Männern weniger investiere.
Spannenderweise ist der Sex mit ihnen jedoch am besten – zugegeben. Also am Ende irgendwie doch auch wieder ein Teufelskreis. Aber auch hier: in der Theorie könnte es so einfach sein, dennoch ist mein Fühlen und Handeln am Ende widersprüchlich. Emotional involviert, ist mensch wohl schneller als er/sie denkt, bzw. als es ihm/ihr lieb wäre. Miese Falle diese Feelings. It’s all about emotions - ja, doch… irgendwie schon!
Am besten also einfach mal aufhören zu denken. Wie das geht? An dieser Stelle hat Google übrigens einen tollen Rat parat: ”Verliere deine Identität. Wir denken zu viel nach, weil wir uns daran erinnern, wer wir glauben zu sein.”
Ja, okay. Gibt es da auch eine Bedienungsanleitung inklusive? Klingt ein wenig wie Jacques Derrida (Für alle: der Jacques war ein französischer Philosoph), der als Hauptvertreter der Dekonstruktion von der Notwendigkeit sprach, die eigene Sprache abzulegen, um das Denken zu befreien. Denn selbst Begriffe und Wörter pressen uns bereits in Denkmuster und rufen gewisse Assoziationen hervor. Schwierig. In der Theorie ergibt es Sinn, in der Praxis wirkt es dennoch schwer umsetzbar oder sogar unmöglich. Also: same same, but different.
Prinzipien und Regeln haben in Beziehungen eigentlich wenig zu suchen, denn Beziehungsdynamiken sind situativ. Das gilt für soziale Interaktionen im Allgemeinen. “Erst fühlen, dann reden.”, wäre demnach ein optimaler Leitspruch.
Niemand von uns, reagiert in derselben Situation immer gleich. Wieso sonst schieben wir gern so viel auf die Umstände? Wieso sagen wir Dinge wie „Hätte ich das mal gewusst.“, „Wäre es eine Woche früher oder zwei Monate später passiert.“ Daher ist es schwierig pauschale Aussagen zu treffen, an die man sich in der jeweiligen Situation auch hält - oder besser gesagt: aushält. Denn wie wir wirklich im betreffenden Moment fühlen werden, können wir nicht voraussagen - wirklich nicht!
Ehrlich gesagt: Mittlerweile reagiere ich auch nicht mehr so lässig, wenn ich Dreier Anfragen von Pärchen erhalte. Irgendwie habe ich bemerkt, dass es mir jedes Mal auch ein wenig Energie zieht, zumal ich weiß, dass es für mich ein reines Abenteuer mit eventuell auftauchendem Konfliktpotenzial bleiben wird. (…ja, es haben sich auch schon Paare getrennt, nachdem wir eine gemeinsame Nacht verbracht haben. Schlechtes Gewissen Deluxe!).
Mal davon abgesehen, dass es sich teilweise so anfühlt, als würde man an dieser Stelle lediglich das Klischee der promiskuitiven, lüsternen sowie gelassenen, bisexuellen Spielgefährtin erfüllen und als reine Lustsklavin dienen. Okay, zugegeben, Sklavin ist vielleicht ein etwas harter Ausdruck. Wobei… kommt auf die Praktik an. Alles schon erlebt - und erzählt bekommen.
Drei sind einer zu viel.
Oftmals schon, aber eben auch nicht immer.