Bundesparteitag die LINKE 18-20.10.2024 Halle (Saale)

Der Bundesparteitag der Linken in Halle (Saale) stand unter dem Motto „Abgang oder Aufbruch“. Zuletzt hatten die enttäuschenden Ergebnisse bei der Europawahl, ebenso wie bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland, dafür gesorgt, dass die Linke sich Sorgen um das Erreichen der 5 % Hürde machen musste. In Sachsen verfehlte sie die Hürde mit 4,5% nur knapp, aber konnten immerhin durch Nam Duy Nguyen ein Direktmandat in Leipzig sichern. Das Parteienspektrum in Sachsen, Brandenburg als auch Thüringen hat sich minimiert. Die FDP ist aus dem sächsischen Landtag geflogen und, ebenso wie die Linke und die Grünen, aus dem Brandenburgischen. In Thüringen stehen schwierige Koalitionsgespräche an, zumal die AfD  (32,8%) und das BSW (15,8%) die stärkste sowie zweitstärkste Kraft darstellen. Immerhin kommt die Linke hier noch auf 13,1%, während die FDP und die Grünen den Wiedereinzug nicht geschafft haben und auch die SPD mit gerade mal 6,1% nur knapp am Auszug vorbeigeschrammt ist.

Seit meinem Eintritt im Rahmen der „Eine Neue Linke für Alle“ im November 2023 wurde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wieso ich gerade jetzt in eine Partei eintrete, die „doch augenscheinliche dem Untergang geweiht ist.“ Ganz einfach: Die Linke ist derzeit die einzige Partei, sie sozialpolitische Themen im Fokus hat und sich nicht an menschenfeindlichen Narrativen, Stichwort: Migrationspolitik, bedient. Außerdem ist es für mich unvorstellbar, dass es zukünftig keine linke Kraft mehr geben könnte… ein Gegengewicht zu den rechten, teilweise sogar rechtsextremen, Parteien.

Zurück zum Bundesparteitag: Martin Schirdewan und Janine Wissler, die ehemaligen Parteivorsitzenden, erhielten einen warmherzigen Abschied. Am Samstag fand die Wahl des neuen Parteivorsitz statt, auch wenn es bereits im Vorhinein als sehr realistisch, ja beinah entschieden, schien, dass die beiden Kandidierenden das Rennen machen. Ines Schwerdtner, ehemals Journalistin und laut ihren Aussagen „Beobachterin der Linken“, wurde mit 78 % zur Parteivorsitzenden gewählt und Jan van Aken mit 88 %.

Dass der Nahost-Konflikt die Linke spätestens seit dem 7. Oktober mit dem Überfall der Hamas auf Israel spaltet, ist kein Geheimnis. Dafür muss man nicht in Kreuzberg wohnen und seit Monaten ständig Sirenen, Geschreie und Krawall auf den Straßen hören. Auch die Frage nach Waffenlieferungen für die Ukraine und ob die NATO ein Sicherheitsbündnis ist, sorgt immer wieder für innerparteiliche Krisen. Meine Meinung ist klar: ich verurteile die Hamas und Hisbollah als Terrororganisationen und den 7. Oktober als das, was es ist: ein abscheuliches Verbrechen, das nicht zu rechtfertigen ist, während ich gleichzeitig das Leid der Menschen in Gaza sehe und Benjamin Netanjahu als Kriegsverbrecher bezeichne – keine Frage. Die Bilder der Großdemonstrationen in Tel-Aviv, die einmalig in der Geschichte Israels waren, sind für mich der Beweis, dass viele Israelis die Reaktion Netanjahus ebenfalls ablehnen. Meine Gedanken sind bei den israelischen Geiseln sowie Opfern des 7. Oktobers und ihren Hinterbliebenen gleichermaßen wie bei den Palästinensern, die seit jeher um ihr Leben bangen, getötet wurden und/oder als zivile Schutzschilder missbraucht werden. Waffenstillstand jetzt!

Darüber hinaus bin ich Fan der NATO und gegen ihre Abschaffung. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass Deutschland in Anbetracht der aktuellen sicherheitspolitischen Lage in Europa, nicht auf das westatlantische Sicherheitsbündnis verzichten kann. Zumindest ist das mein erster Gedanke, wenn ich mir Analysen und Berichte über den aktuellen Zustand unserer Bundeswehr durchlese. Waffenlieferungen an die Ukraine, um sich gegen Russland  zu verteidigen? Ja! Es ist möglich, dafür zu stehen und trotzdem in der Linken zu sein. Und es gibt einige Linke, die die gleiche Meinung haben und sich für Friedensgespräche und Waffenstillstand einsetzen – aber Waffenlieferungen zur Verteidigung nicht grundsätzlich ablehnen, so lange nicht beide/alle Seiten zu Friedensverhandlungen bereit sind.

Zurück zum Bundesparteitag: Nach der Nahost-Debatte am Freitagabend, bei der die Anwesenden sich auf einen Kompromiss geeinigt hatten, kam es Samstagmittag zu einem Vorfall. Ein paar wenige pro-Palästina Demonstrierenden hatten sich vor der Halle versammelt und die Partei für ihr Schweigen über das, was in Gaza passiert, angeprangert. Nach der Mittagspause formulierte eine Delegierte den Wunsch der Demonstrierenden zehn Minuten sprechen zu dürfen. Der Vorschlag wurde diskutiert, abgestimmt und schließlich aufgrund mangelnder Zeit und vollem Programm abgelehnt. Dieser Vorgang dauerte genau 12 Minuten und 41 Sekunden… Als es am nächsten Tag hieß, dass die Antisemitismus-Beauftragte der Partei von den Demonstrierenden bedroht wurde und das Gelände auf anderen Wegen verlassen musste, hielt sich mein Mitgefühl für die nicht gestattete Redezeit, ehrlich gesagt, auf einmal sehr in Grenzen. So läuft’s halt nicht!

Warum ich das erzähle? Was ich damit aufzeigen will? Vielleicht, dass der Diskurs mittlerweile so verhärtet ist und auf beiden Seiten immer wieder wenig Wertschätzendes, (verbal) gewaltvolles und ignorantes Verhalten aufkommt, sodass ein konstruktiver Dialog unmöglich scheint. Schade!

Ein großes innerparteiliches Konflikte klären. Aber so ist das nun mal, wenn diverse Lebensrealitäten aufeinandertreffen und alle gehört werden sollen. Zukünftig soll weniger gestritten werden, gerade das betonte der neue Parteivorsitzende Jan van Aken. Und dennoch sollte man nicht vergessen, dass emotionalen und zehrende Debatten auf einem Parteitag normal sind, zumal viele Menschen mit verschiedenen Perspektiven gemeinsam versuchen einen Konsens zu finden. Manche würden vielleicht sagen, dass die (Meinungs-)Vielfalt innerhalb der Linken ihre größte Stärke und Schwäche zugleich ist. Zumindest was die Entscheidungsfindung betrifft.

„Die Angriffe von außen werden immer größer, umso wichtiger ist, dass wir zusammenstehen.“, das betonte Ines Schwerdtner und verweist damit u.a. auf die Hetze, denen einige Parteimitglieder nach Ausstrahlung ihrer Redebeiträge im digitalen Raum ausgesetzt waren. Nach dem Parteitag war ich positiv gestimmt und empfand die Stimmung als optimistisch und motiviert, auch wenn noch viel Handlungs- aber vor allem Umsetzungsbedarf besteht… zum Beispiel was die Präsenz auf Social Media betrifft. Rechte Inhalte dominieren auf sämtlichen Plattformen (TikTok, Instagram), das hat die Linke verpasst, da machen wir uns auch nichts vor.

Besonders erwähnenswert ist die Rede Gregor Gysis, in der er verkündete, zusammen mit Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow aktiv in den Wahlkampf einzugreifen, um Direktmandate zu sichern. Das Ganze läuft unter dem Namen Aktion Silberlocke! Voraussetzung? Eine erkennbare Aufbruchsstimmung innerhalb der Partei!

Das sollten wir hinkriegen, denn wenn es uns an eins nicht mangelt, dann an Potenzial. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, inwiefern wir es schaffen, diese Kräfte zu bündeln und unser Vorhaben, für eine gerechtere sowie gleichberechtigte Gesellschaft einzustehen, umzusetzen!