Trennungsschmerz: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. 

Warum fällt es uns nach Trennungen oftmals besonders schwer, bei uns zu bleiben? Wieso flüchten wir uns gerade in diesen Momenten besonders oft in fremde Gefühle, Arbeit oder Rausch und Nebel? Wieso verbringen wir gefühlte Ewigkeiten damit, alles immer und immer wieder durchzukauen? Wieso treibt uns gerade in dieser Zeit eine unendliche Rastlosigkeit und innere Unruhe an?

Ja, wieso eigentlich? 

Vielleicht, weil es einfacher ist, sich um die vermuteten Gefühlsregungen des Anderen zu kümmern. Vielleicht, weil es weniger Reflektion und Mühe erfordert, sein Verhalten zu beurteilen… in vielen Fällen eher: zu verurteilen. Schließlich ist die eigene Gefühlslage nach einer Trennung, oder auch während des Trennungsprozesses, völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Wut, Frustration, Trauer, Hilflosigkeit, Ohnmacht und ein Gefühl der Taubheit wechseln sich ab. Hier und da keimt auch ein wenig Erleichterung auf, wer weiß, aber letzten Endes ist es eine Achterbahnfahrt der Gefühle und die dunklen Tunnel scheinen streckenweise schier endlos. Die Gefälle unglaublich tief. Dann auf einmal ein Hoch der Gefühle, Singlesein hat natürlich auch seine Vorteile. 

Zugegeben, eine Trennung geschieht nicht ohne Grund.

Es gibt meistens einen Auslöser, es herrscht zumindest bei einer der beiden Parteien Unzufriedenheit. Warum sonst sollten wir uns dazu entschließen, den Partner bzw. die Partnerin zu verlassen, unseren Weg alleine weiterzugehen? Aber trotzdem ist eine Trennung gleichzeitig immer eine Beerdigung bekannter Gefühle und gewohnter Routinen. Es ist ein emotionaler Abschied und das ist nun mal traurig, egal wie logisch die Gründe doch zu sein schienen. Es tut weh. 

In diesen Momenten ist es schwer rational zu bleiben und wir fangen an nach Erklärungen für unser Leid und das Geschehene zu suchen. Der Geist gibt schneller Frieden, wenn er die Dinge versteht. Erst dann kann er abschließen, eine Lehre aus dem Ganzen ziehen. Allerdings ist es nicht immer so einfach, eine Erklärung dafür zu finden, wieso man sich nicht länger zu seinem/r Geliebten hingezogen fühlt, oder sich einfach nicht länger an seiner/ihrer Seite sieht. Im besten Fall teilen beide dieses Gefühl der Unvollkommenheit und verabschieden sich in Freundschaft. 

Freundschaft, wenn das mal so einfach wäre. Auf Social Media ist der Beziehungsstatus schnell geändert. Ein Klick und aus verheiratet wird geschieden. Fortan getrennt, statt vergeben. Ein Klick und viele wissen Bescheid. Aber bis die Neuerung endgültig im eigenen System, im Geist, angekommen und verankert ist, vergeht Zeit… viel Zeit. Oder weniger, denn jeder hat seine Art mit einschneidenden Ereignissen umzugehen. Ja, eine Trennung gehört dazu. Eine Trennung ist ein einschneidendes Erlebnis und Liebeskummer verursacht mehr Schmerzen, als so manch eine Prellung oder Grippe. 

Seelisches Leid ist hartnäckig, seelisches Leid ist auf den ersten Blick unsichtbar. 

Es gibt kein Patentrezept für adäquates Verhalten nach dem Ende einer Liebesbeziehung. Leider nein, da muss jeder selbst durch. Natürlich gibt es für gerade diese Situation besonders viele gut gemeinte, im Akutzustand jedoch weniger hilfreiche Phrasen, die den Kummer lindern sollen. 

„Zeit heilt alle Wunden.“

„Du hast jetzt erst einmal wieder genug Zeit dich selbst zu lieben.“

„Andere Mütter haben auch schöne Kinder.“

„Wenn es das richtige gewesen wäre, wäre es nicht so gekommen. Es ist gut so.“ 

Ja ja, alles gut gemeint. Nett formuliert und höflich ausgedrückt, jedoch ohne Tiefgang und auch nicht wirklich reflektiert. Denn der Leidende möchte gehört werden, vielleicht auch bemitleidet. Vielleicht will der/diejenige sich auch einfach nur auskotzen oder zusammen die Sinnlosigkeit von Beziehungen im Allgemeinen ergründen. Was auch immer, auf jeden Fall benötigt eine geschundene Seele Anteilnahme und Mitgefühl.

Weh tut’s, wenn’s wichtig war.

Mal davon abgesehen, dass die Aussagen „Wenn es das Richtige gewesen wäre, wäre es nicht vorbei.“, und “Andere Mütter haben auch schöne Kinder.”, auf allen Ebenen kontraproduktiv sind. Das Ende einer Beziehung bietet nämlich immer auch die Möglichkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren. Zumindest sobald man mit der innerlichen Peinigung des/r ehemaligen Lebensverschönerers/in fertig ist, oder eine Pause davon macht – Abstand gewinnt. Aber wenn ja angeblich das Schicksal darüber bestimmt, ob es das Richtige war, dann wäre die logische Konsequenz, dass niemand Schuld hat und es lediglich (noch) nicht die Traumfrau, bzw. der Traummann, war. Hinterfragen oder reflektieren also nicht nötig, wie praktisch. Alle bleiben einfach wie sie sind. Mal mehr, mal weniger unglücklich. Verantwortung abgeben? Ja, bitte!

Wie einfach - und irrational. 

Am Ende bekräftigt man damit zwar kurzzeitig und oberflächlich den Trauernden, aber gibt dennoch seine eigene Ratlosigkeit preis. Vielleicht sind es aber auch eben diese Phrasen, die uns in solchen Momenten davor schützen, etwas Unbedachtes zu sagen. Zum Beispiel, weil der/die Verlassene gerade nicht hören möchte, dass sie/er wirklich zu viel geklammert hat oder allgemein etwas besitzergreifend war. Vielleicht haben wir auch innerlich auf diesen Moment gewartet, weil wir unsere/n Freund/in nicht weiter an der Seite dieses Menschen sehen wollten… wie auch immer!

Gerade Frauen neigen in Trennungssituationen beispielsweise dazu, ihr eigenes Leid zu unterdrücken oder runterzuspielen und sich weiterhin auf den Partner zu konzentrieren. Auf den Partner und seine Trauer. Die emotionale Verbindung lässt sich schließlich nicht mit einem „Es ist vorbei.“ kappen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Lichtschalter, den man einfach ein und ausschalten kann. So einfach ist das nun mal nicht. 

Jede/r weiß das!

Gerade Trennungen zeigen uns doch immer wieder, wie sehr der/die Andere als Projektionsfläche unserer eigenen Gefühle und Traumata dient. In dem Moment ist dieser Mensch für all unser Leid verantwortlich, für all unseren Kummer. Er ist Auslöser und Ursache zugleich, denn selbst wenn wir uns für unser eigenes Verhalten schämen, neigen wir eher dazu, das des Anderen zu verurteilen. Dabei geben wir damit doch nur unseren eigenen Frust, die eigene Ernüchterung, preis. Auch wenn wir mal zusammen waren, heißt das nicht, dass wir zusammengehören. Eine unumstößliche Einheit bilden, die nichts und niemand bezwingen kann. Natürlich ist das die Idealvorstellung, aber das Leben spielt eben in der Realität - und nicht in Idealen. 

An uns selbst können wir arbeiten, an uns selbst können wir Veränderungen vornehmen. Innerlich wie äußerlich. Wir können das Verhalten des Anderen nicht kontrollieren, aber wir können durch ein Umdenken in unserem eigenen Handeln, seine Reaktionen beeinflussen. Das klingt nach Manipulation? Ist es aber nicht. Wenn wir uns unfair verhalten, können wir keine faire Antwort erwarten. Wenn wir fordern und kritisieren, müssen wir damit rechnen, ebenso gefordert und kritisiert zu werden. Wenn wir dem/der anderen mit Respekt und Gutmütigkeit begegnen, ist die Chance bedeutend höher, dass uns das Gleiche entgegengebracht wird.  

Am Ende ist es doch meistens die eigene Frustration darüber, Anzeichen nicht erkannt oder Dinge nicht gesehen zu haben. Vielleicht steckt dahinter auch ein Gefühl der Scham, weil man/frau nicht vehement genug für sich eingestanden, bzw. die eigenen Grenzen nicht genug verteidigt, hat. Wie dem auch sei, eine Medaille hat immer zwei Seiten und beide Parteien tragen ihre eigene Perspektive der Geschichte und dementsprechendes Leid mit sich herum. 

Was da hilft? Abstand. 

Geteiltes Leid ist halbes Leid, gilt hier nicht. 

Geteiltes Leid ist doppeltes Leid, hingegen schon. 

Photo by: Alex G.