Wie ein achtsames Leben zu nachhaltigeren Beziehungen führt

 (Bi-)Sexualität, (offene) Beziehungen, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit ergeben ein schönes Zusammenspiel – meiner Meinung nach. Sexualität hat viel mit Achtsamkeit zu tun, denn nur wer achtsam mit seinem Geist und Körper umgeht, kennt seine Bedürfnisse. Nur wer sich nicht davor scheut in sich hineinzuhorchen, kann Verlangen und Sehnsüchte, Ängste und Träume, wirklich definieren. Nachhaltigkeit und weniger konservative Beziehungskonzepte haben ebenfalls einen gemeinsamen Nenner: sie bieten eine Alternative. In diesem Fall eine Alternative für die Liebe: das Gegenteil der Wegwerf-Kultur oder serieller Monogamie. Auch Beziehungen kann man nachhaltig führen, weiter lieben selbst wenn sich Probleme ergeben oder andere Menschen mit ins Spiel kommen. Gemeinsam Lösungen finden und weitermachen, einfach machen. Weniger verurteilen, mehr Spielraum lassen. Raum zum Spielen, wollen wir das am Ende des Tages nicht alle? 

 

Einfach ein bisschen mehr spielen, weniger ernst sein. Ernst, wieso nehmen wir viele Dings oftmals so ernst? Serielle Monogamie ist das Stichwort. Menschen machen Fehler, irren ist menschlich. Manchmal kommt man vom Weg ab oder handelt gegen ein Versprechen, das man sich vor langer Zeit gegeben hat. Vielleicht bin ich morgen wer anders als heute, vielleicht denke ich mittlerweile anders über gewisse Dinge, vielleicht haben die Umstände sich einfach verändert. Wieso wollen wir uns krampfhaft in ein Beziehungsmodell zwängen, welches vielleicht gar nicht unserer Lebenswelt entspricht. 

Alles fließt, wir sind eine digitale und mobile Generation. Generation Y – Liebe in Zeiten der Unverbindlichkeit. Dating Apps gibt es für jede sexuelle Ausrichtung und Szene, alle sind vertreten. Dank Social Media weiß sich jeder zu präsentieren, Accounts hat man unzählige, Profile hingegen beinah identische. Hier und da ein kleines Detail geändert, außen vorgelassen, besonders betont – je nach Plattform.  

Ausprobieren kann man viel, zum Beispiel die eigene Sexualität. Dabei achtsam sein mit seinem Geist und Körper, im Einklang mit sich selbst, bleibt dabei jedoch oftmals auf der Strecke.

Ist auch gar nicht so einfach, aber nur dann ist man sich seiner Bedürfnisse wirklich bewusst. Fühle ich mich vielleicht mehr zu der attraktiven neuen Arbeitskollegin hingezogen als ich es mir eingestehen möchte? Ist der neue Mannschaftskollege vielleicht weniger Konkurrenz als potenzieller Liebhaber? Warum triggert der schwule beste Freund meiner Freundin so eine Wut in mir, wieso macht sein Verhalten mich so aggressiv? Und wertend? Ist die betonte Weiblichkeit meiner besten Freundin weniger überzogen als eigentlich nur bedrohlich für meine eigene Beziehung zu meinem femininen Ich? Alles Fragen, die es lohnt sich ab und an zu stellen, zumal wir doch irgendwie alle die gleichen Ängste teilen.  

Diese erfahren wir jedoch nur, wenn wir es wagen unsere eigenen Mauern fallen zu lassen. Das erfordert Mut und Überwindung, aber der Preis ist es wert.

Alles hat am Ende irgendwie einen besonderen Wert. Wenn wir den Moment mehr schätzen und weniger Zeit damit verbringen in der Vergangenheit zu leben, oder die Zukunft zu planen, entdecken wir auch im Alltag wieder vereinzelt unser Glück und innerer Frieden kehrt ein. Wer nicht mehr sucht, der gibt sich einfach mal zufrieden. Ein Gefühl, das sich nachhaltig auf unser Empfinden auswirkt, auf unser Wohlbefinden. Was bringt es uns denn am Ende, wenn wir bei der ganzen stressigen Hetzerei und Planerei selten fündig werden, obwohl wir scheinbar ständig auf der Suche sind? Außer Stress beziehungsweise Stresshormonen und die machen krank. Krank und müde, nachhaltig erschöpft. Der Körper reagiert hierauf langfristig mit chronischen Krankheiten oder Krebs. Im schlimmsten Fall. Stress zerstört die Zellen, Stress erzeugt Hormonchaos, Stress hinterlässt nachhaltig Spuren in jedem Organismus. 

Die Frage ist also, wie viel man am Ende noch vom lang ersehnten Preis hat, wenn doch alle Ressourcen bei der Suche auf der Strecke geblieben sind.

Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen passieren Fehltritte oder Grenzen werden überschritten. Vielleicht auch Commitments gebrochen oder die anfängliche Lust und Leidenschaft lodert eine gewisse Zeit auf Sparflamme. Wie auch immer, Bedingungen wurden nicht erfüllt, Erwartungen enttäuscht. Vertrauensbruch. Ein achtsamerer Umgang im Vorhinein hätte es vielleicht verhindern können. Ängste werden meistens abgebaut, in dem man über sie spricht oder sich mitteilt, aber in erster Linie: auf sich selbst Acht gibt. Liebe fängt bei einem selbst an. Selbstliebe ist der Grundstein für alles.

Verzeihen ist schön. Wenn wir gnädiger mit uns selbst sind, sind wir es auch mit anderen. Toleranter und gelassener in sozialen Interaktionen und in Frieden mit uns selbst. 

Wieso auch nicht? Wenn wir verzeihen, wachsen wir. Loslassen kostet weniger Kraft als Festhalten, heißt es. Vergib nicht um zu verzeihen, sondern um frei zu sein. Weise Worte, wahrer Inhalt. Indem wir die Irrungen und Wirrungen unseres Partners, oder aber uns selbst, weniger werten und wohlwollender als Teil eines Prozesses, oder aber einfach des Lebens, wahrnehmen, entlasten wir unser Gemüt und befrieden unseren Geist. Nichts läuft immer nach Plan, keine Regel lässt sich wirklich für allgemeingültig erklären, also wieso üben wir uns nicht ein wenig mehr in Toleranz? 

Wenn wir lernen achtsamer in unseren Beziehungen zu interagieren, erreichen wir ein neues Level an Intimität und Nähe. 

Intimität beginnt dort, wo die Performance aufhört. Einfach mal wieder echt sein. Einfach authentisch. Wer sich öffnet, kann auf die Fresse fliegen - oder aber einfach nur fliegen… nach oben, zum Beispiel. Eine Beziehung muss nicht über Jahre stagnieren und an die gleichen Bedingungen geknüpft oder im selben Rahmen festgehängt sein. Manchmal kann man zusammen auch neue Wege gehen oder verrückte Dinge ausprobieren. Menschen ändern sich, Bedürfnissen ändern sich, Umstände andern sich, Gefühle verändern sich… alles ist in Bewegung, alles fließt. Immer! 

Nur Sprechenden kann geholfen werden. Noch so ein toller Spruch, aber es stimmt. So lange wir nicht lernen uns mitzuteilen, auch auf die Gefahr hin ausgelacht oder kritisiert zu werden, werden wir immer auf der gleichen Stelle tanzen und uns insgeheim mit geschlossenen Augen irgendwo anders hinträumen. Wieso träumen, wenn man auch in der Realität einfach den Dance Floor wechseln und etwas Neues, vielleicht auch einfach nur etwas Anderes, ausprobieren kann? 

Vertrau deiner inneren Stimme.