Gefährliche Liebschaften

Unausgesprochene Offenheit oder verbindliche Ehrlichkeit?

Affären sind gefährlich. Nicht nur für die Beziehung, für das Paar, sondern auch für die Dritten im Bunde. Affären sind nicht cool, weil sie meist mit dem Betrug von mindestens einer Person einhergehen. Weder der Betrügende geht mit einem guten Gewissen durch die Zeit noch die Affäre. Die nichtwissende Person wird die Folgen tragen müssen oder auf ewig hintergangen worden sein.

Was mich anfangs als ich eine offene Beziehung geführt habe sehr gestört hat, war die Tatsache, dass die Wahl meines Beziehungskonzept immer mit der Annahme einherging, dass ich mich ja nur nicht wirklich binden; wirklich lieben wolle. Frech, wenn man bedenkt wie viel Offenheit, Transparenz und ehrliche Kommunikation – nicht nur von Bedürfnissen – Voraussetzung für ein nicht-monogames Beziehungskonstrukt sind.

Affären sind daher eine gute Strategie Beziehungsfrust zu kompensieren, ohne sich dabei unangenehmen Gesprächen stellen oder Veränderung innerhalb der Hauptbeziehung in Kauf nehmen zu müssen. Ich sage bewusst Hauptbeziehung, denn die Verbindung mit der Affäre ist ebenfalle eine Beziehung – sei es rein körperlich oder, zumindest bis zu einem gewissen Grad, auch emotional. Auch wenn das manchmal gern außer Acht gelassen wird. Diese Verbindung kann schließlich bedrohlich wirken; die Hauptbeziehung zerstören; zu einem Vertrauensverlust führen. Wenn alle Karten für alle sichtbar auf dem Tisch liegen, wiegt der Vertrauensbruch/das kurz- oder längerfristige Hintergehen oftmals schwerer als der körperliche Akt an sich.

Gerade wenn darüber hinaus noch eine emotionale Verbindung besteht, oder temporär bestand, in dem eine Intimität geteilt wurde, sei es durch Gespräche oder gemeinsame nackte Momente. Oder beides. Gespräche können sich auch wie nackte Momente anfühlen, weil man sich nackt macht; seine Schwächen und Unsicherheiten, seine Ängste, teilt. Oder gemeinsam fantasiert, Pläne schmiedet, Glücksgefühle ineinander verursacht und in gemeinsamen Momenten der Sehnsucht zergeht.

Zugegeben, ich empfand diese Vorstellung immer als schwerwiegender als den Gedanken daran, wie meine mittlerweile Ex-Partner:innen sich mit wem Fremdes durch die Laken wälzen. Ist es nicht eine viel größere Form von Intimität sein Innerstes zu öffnen, anstatt die Beine breit zu machen? – Ja.

Frauen betrügen anders, laut Statistik. Sie sehnen sich eher nach einer emotionalen Verbindung statt einmaligen unverbindlichem Spaß. Die Gefahr, dass die ursprüngliche Beziehung dadurch in die Brüche geht, ist dementsprechend höher. Männer sehnen sich, laut Umfragen, in ihren Affären eher nach körperlicher Lust und Intimität – im Bett. Auch wenn sie sich nicht gerade geschickt anstellen, zumindest im Vergleich mit dem weiblichen Geschlecht, so kommen ihre Seitensprünge dennoch nicht häufiger ans Tageslicht… weil sie sich größtenteils auf einmalige unverbindliche Erlebnisse beschränken.

Was jetzt besser ist, weiß ich nicht. Ständig betrogen zu werden, ohne es zu erfahren, oder für jemand anderen verlassen zu werden, aber dafür Klarheit zu haben und nicht mehr in eine Beziehung zu investieren, die scheinbar einseitig offen war. Der Spruch „Was er/sie nicht weiß, macht ihn/sie nicht heiß.“, ist ein Ausdruck für moralische Verkommenheit, meine Meinung. Das Einzige, was ich damit zum Ausdruck bringe, ist, dass ich Angst vor den Konsequenzen meines Handelns habe und auf keinen Fall die Verantwortung dafür übernehmen will. Zu glauben, dass es besonders rücksichtsvoll ist und die Partner:innen nur schützen zu wollen, weil die Affäre ja „keine Bedeutung“ (zumindest nicht von bedrohlicher Tragweite) hat, ist feige und egoistisch.

Vor was genau will man seine Partner:innen schützen? Vor sich selbst? Vor den eigenen Dämonen, die dem scheinbar lange Zeit unausgesprochenem Verlangen entsprungen sind? Ne, das finde ich etwas zu einfach gedacht. Es liegt schließlich an einem selbst, ob man seine Bedürfnisse kommunizieren kann/will oder Gründe findet, es nicht zu tun; tun zu können. Gerne schiebt man dann die Bedürftigkeit der Partner:innen vor oder rechtfertigt das eigene Handeln; die eigenen Sünden mit dem Glauben daran, dass Fremdgehen eine unausgesprochen Freikarte für beide ist. Soll heißen: Die Partner:innen machen bestimmt das Gleiche, passiert halt. Machen doch alle so… in langjährigen oder Fernbeziehungen.

Es ist erschreckend für wie alltäglich und „normal“ wir Affären, besser gesagt Betrug, halten. Wie sollte dem auch anders sein, schließlich impliziert so gut wie jede Geschichte, in der es mehr oder weniger um Liebe geht, Fremdgehen. Ein gängiges Motiv, immer schon, das Produkt serieller Monogamie. (Sexuelle) Exklusivität kann Verlangen deckeln; heimliches Verlangen steigern und ist am Ende der perfekte Nährboden für einen Seitensprung, der durch quälende Sehnsucht legitimiert wird.

Das schlechte Gewissen kommt alsbald, so viel ist klar. Anfängliche Hochgefühle werden von Ängsten und Zweifeln abgelöst. War es zu voreilig? War es zu auffällig? Habe ich mit offenen Karten gespielt? Zugegeben, ich habe selten eine Liebesgeschichte erzählt bekommen, die damit begann, dass die beiden sich durch eine heimliche Affäre kennen- und lieben gelernt haben. Am Ende gab es immer Tränen – auf allen Seiten, auf beiden Seiten, auf einer Seite. Die Affäre kommt in den wenigsten Fällen gut dabei weg. Auch wenn ihr Alltag durch eine Trennung des Paares nicht maßgeblich gestört wird; sie mit weniger Konsequenzen leben muss… zumindest ihre Wohnung wird sie wohl behalten können.

Wenn es um die emotionalen Konsequenzen geht, die das Auffliegen einer Affäre mit sich bringt, dann bin ich der festen Überzeugung, dass die heimliche Liebschaft in vielen Fällen auch einen hohen emotionalen Preis zu zahlen hat. Natürlich kommt es darauf an, was passiert, nachdem alle Parteien in das Geschehen eingeweiht wurden. Dennoch wurde sie in vielen Geschichten mit falschen Versprechungen bei Laune gehalten oder übertrat ihre Grenzen, um die Hauptbeziehung zu schützen und musste ihre Bedürfnisse für diese Verbindung hintenanstellen. Am Ende ist und bleibt es eine Allianz, der man gegenübersteht. Egal wie brüchig oder einfach nur eingeschlafen die Hauptbeziehung zu sein schien, das Fundament ist ein anderes – ein Beständigeres. Selbst wenn eine Trennung die Folge ist.

Mal davon abgesehen, dass man sich als Affäre regelmäßig fragen sollte, ob es wirklich so erstrebenswert ist, mit jemandem zusammen zu sein, der scheinbar skrupellos oder selbstgefällig genug ist, seine Partner:innen über einen mehr oder weniger langen Zeitraum zu betrügen und sich in Rechtfertigungen ergeht, die alles beinhalten, aber keinen zukunftsorientieren Lösungsansatz. Eine angenehme, wenn auch feige, Passivität, die andere Menschen zu Heimlichtuereien zwingt und Wahrnehmungen verfälschen kann.

Gegenbeispiele gibt es auch, natürlich. Affären haben Beziehungen gerettet; sie neu aufleben lassen; alte Verhaltensmuster endgültig durchbrochen, indem (Selbst-)Reflexion in die Beziehung Einzug erhielt und eine neue ehrlichere Form des Mitteilens begünstigte. Manchmal haben sie auch dazu geführt, dass festgefahrene Beziehungen aufgegeben und ein Neustart für beide ermöglicht wurde. Gerade das hörte ich von den Betrogenen immer wieder: „Hätte ich es nur früher gewusst, ich hätte so viel Zeit gespart. Ich war doch auch nicht wirklich glücklich.“ Eine anklagende Aussage, sich selbst und den Ex-Partner:innen gegenüber. Ein wichtiges Detail, („Ich war doch auch nicht glücklich.“) das offenbart, dass immer mindestens zwei dazugehören, wenn es darum geht, was der Auslöser für die Affäre war.

Auch wenn der ein oder die andere anfänglich ihr Fremdgehen damit rechtfertigten, dass die Partner:innen, unausgesprochen, bestimmt das Gleiche tun, so bemerkte ich schnell, dass sie mir in dem Moment gleichzeitig ihre größte Angst kundtaten. Warum sonst versuchten sie dennoch alles, die Affäre geheim zu halten, wenn das externe Techtelmechtel doch eigentlich nicht der Rede wert sei? – Hmm, gute Frage. Eine schlaue, besser gesagt nachvollziehbare, Antwort ist mir darauf bis heute nicht eingefallen. Austeilen bringt immer auch Aushalten mit sich. Dass das eine schwerwiegende Angst vieler Betrügenden zu sein scheint, zeigten auch die vielen Geschichten, die ich über die Jahre zu hören bekam ebenso wie Umfrageergebnisse.

Mein Fazit und abschließender Gedanke dazu: Besser kalte Klarheit als verheißungsvolle Verblendung. Affären sind aufregend, leidenschaftlich, eigentlich verboten, spannend, geheimnisvoll, können befreiend wirken; die Antwort auf zu lange unausgesprochenes Verlangen sein. Gefühlschaos und Rausch – beflügelnd und gleichermaßen ernüchternd. Am Ende sollte man sich fragen, in welchem (Beziehungs-)Zustand man auf die Dauer leben möchte. Und wie viel man bereit ist anderen Menschen damit zuzumuten, denn eins passiert unausweichlich, Wahrnehmungen werden verfälscht. Sonst würden sie nicht mit Lug, Betrug und Vertrauensverlust; mit so viel schlechten Gefühlen einhergehen. Eine Affäre ist zeitlich limitiert. Es sagt viel aus, wie man sich aus der Affäre zieht.

…und wie sehr Lust und Schuld in unserer Gesellschaft weiterhin miteinander einhergehen. Würden wir innerhalb romantischer Beziehungen mehr über unsere Bedürfnisse reden, würden wir uns im Umkehrschluss wohl auch weniger für unser Verlangen verurteilen.

 

 

*** Die Gedanken sind ein Produkt von persönlichen Erlebnissen, aber vor allem Geschichten, die mir über die Jahre, vor allem durch meine Arbeit, zugetragen und erzählt wurden. Auch wenn die Menschen, Umstände und Konstellationen verschieden waren, so ähnelten sich die Gefühle; Ängste und Umgang mit der Situation auf wiederholend erschreckend ähnliche Art und Weise. Anderes habe ich recherchiert oder in Interviews mit Paartherapeut:innen und Sex Coaches erfahren.